Im VW-Abgasskandal rückt mehr und mehr die Frage in den Fokus, ob mit dem Software-Update, das bei Fahrzeugen mit dem Motor EA 189 aufgespielt wurde, erneut eine unzulässige Abschalteinrichtung installiert wurde. Das Oberlandesgericht Hamm hat dies nun mit Urteil vom 19.01.2021 bejaht und dem Kläger Schadenersatz zugesprochen (Az.: 19 U 1304/19). Zu vergleichbaren Urteilen sind zuvor auch das OLG Köln (Az.: 20 U 288/19) und das OLG Bremen gekommen (Az.: 2 U 9/20).
Als der VW-Abgasskandal im September 2015 bekannt wurde, waren Fahrzeuge der Marken VW, Audi, Seat und Skoda mit dem Dieselmotor EA 189 von den Abgasmanipulationen betroffen. Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) ordnete den Rückruf für die betroffenen Fahrzeuge an, damit ein Software-Update aufgespielt und die unzulässige Abschalteinrichtung entfernt wird. „Nun zeigt sich, dass zwar die illegale Abschalteinrichtung entfernt, mit dem Update aber eine andere unzulässige Abschalteinrichtung installiert wurde. Damit haben die betroffenen Verbraucher einen Anspruch auf Schadenersatz“, erklärt Rechtsanwalt Frederick M. Gisevius, BRÜLLMANN Rechtsanwälte.
Fahrzeug mit Dieselmotor EA 189 erst 2016 gekauft
In dem Verfahren vor dem OLG Hamm hatte der Kläger das Fahrzeug des VW-Konzerns mit dem Motor EA 189 erst im Februar 2016 und damit nach Bekanntwerden des Abgasskandals im Herbst 2015 erworben. Der BGH hatte mit Urteil vom 25. Mai 2020 entschieden, dass VW sich im Abgasskandal wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung grundsätzlich schadenersatzpflichtig gemacht hat. In einem weiteren Urteil vom 30. Juli 2020 schränkte der BGH allerdings ein, dass VW bei Autokäufen nach dem Bekanntwerden des Abgasskandals am 22. September 2015 keine Sittenwidrigkeit mehr vorgeworfen werde könne.
Sittenwidrigkeit nicht entfallen
Das liege in dem vorliegenden Fall jedoch anders. Die Sittenwidrigkeit sei hier nicht deshalb zu verneinen, weil der Kläger das Auto erst im Februar 2016 gekauft hat, stellte das OLG Hamm klar. Eine Verhaltensänderung sei hier nicht festzustellen, denn mit dem Software-Update sei unstreitig erneut eine unzulässige Abschalteinrichtung im Fahrzeug installiert worden. Diese Unzulässigkeit sei Volkswagen auch bewusst gewesen und nicht mit dem KBA abgestimmt worden, da die Behörde ansonsten kein grünes Licht für das Update gegeben hätte, führte das OLG Hamm aus. So sei im Verfahren für die Freigabe des Updates abermals getäuscht worden.
VW bestreitet Vorwurf nicht
Der Kläger führte aus, dass ein Thermofenster verwendet werde, das gezielt auf die Prüfstandsverhältnisse zugeschnitten sei und die Abgasrückführung bei Außentemperaturen über 30 und unter 20 Grad abschaltet. Zudem gebe es eine Lenkwinkelerkennung und eine Zeiterfassung, die dem Zweck dienen, die Prüfsituation zu erkennen und die Abgasreinigung außerhalb einer solchen Situation zu drosseln bzw. abzuschalten. VW habe diese Vorwürfe des Klägers nicht bestritten, so dass sie als zugestanden gelten, so das OLG Hamm. Es sei auch nicht von einem Versehen der Volkswagen AG auszugehen, da sie zunächst eine Frist zur Stellungnahme beantragt und dann bewusst nicht wahrgenommen habe, so das Gericht weiter.
Wenn das Software-Update erneut bewusst mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehen ist, können auch der Vorwurf der Sittenwidrigkeit nicht entfallen.
Schadenersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung
Von der Manipulation des Software-Updates konnte der Kläger zum Zeitpunkt des Kaufs im Februar 2016 nichts wissen. Er sei vorsätzlich sittenwidrig geschädigt worden. Gegen Rückgabe des Fahrzeugs könne er die Erstattung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung für die gefahrenen Kilometer verlangen, entschied das OLG Hamm.
„Die Urteile der Oberlandesgerichte zeigen, dass bei Fahrzeugen mit dem Motor EA 189 aufgrund einer unzulässigen Abschalteinrichtung auch nach dem Software-Update noch Schadenersatzansprüche geltend gemacht werden können. Das ist auch für die geschädigten Käufer interessant, die ihr Auto nach Bekanntwerden des Abgasskandals gekauft haben. Auch sie können Schadenersatzansprüche geltend machen“, so Rechtsanwalt Gisevius.
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